Manfred-Ludwig-Formationen.
Erzählt von Ulrich Türkowsky, aufgeschrieben von Klaus Herkner
Von Jazz-Hotspot bis Galaband…
Nach Auflösung des Orchesters Eberhard Weise 1962 schließen sich am 1. Januar sechs Musiker zu einer Band zusammen, die bald Jazzgeschichte nicht nur in und für Görlitz schreiben sollte:
Binnen Jahresfrist zählt die Band zu den ersten Jazz- Adressen in der DDR. Ab Januar 1963 ist sie Gastgeber der Neujahrs-Jam-Session im Görlitzer “Schuppen” und Kern der Modern Jazz Bigband unter Klaus Lenz. Wolf Hudalla kommt 1963 für Manfred Schulze. Nicht nur in der DDR, auch im Ausland zählt das Manfred-Ludwig-Sextett in den folgenden Jahren zu den gefragtesten Jazz-Formationen überhaupt.
Die Geschichte des Petrowsky-Quintetts beginnt eigentlich 1957 mit der Gründung der Eberhard-Weise-Bigband. Nach der Auflösung dieses namhaften Jazz-Orchesters im Jahre 1961 blieben nahezu alle Musiker dem Jazz weiterhin verbunden; vier von ihnen bildeten den Grundstock des 1962 gegründeten Manfred-Ludwig-Sextetts (der Name leitet sich aus den Vornamen der beiden Initiatoren Ernst-Ludwig Petrowsky und Manfred Schulze ab). Obwohl die Besetzung des Sextetts mehrfach wechselte, blieb erfreulicherweise die Qualität auf unvermindert hohem Niveau erhalten, was nicht zuletzt der glücklichen Hand Petrowskys zu verdanken ist. Stilistisch hatte die Gruppe bald ihren Sound gefunden, der ihr internationale Beachtung verschaffte. 1963 und 1964 gab das Sextett jeweils dreimonatige Gastspiele in der CSSR, verbunden mit Funk- und Fernsehaufnahmen. Funkproduktionen beim Sender Dresden und beim Berliner Rundfunk, zwei AMIGA-Schallplatten sowie Jazz-Konzerte in allen Bezirken der DDR sind weitere Fakten auf der Erfolgsliste des Manfred-Ludwig-Sextetts.
Während das Sextett neben Jazz-Konzerten auch Tanzabende bestritt, gründete Petrowsky 1966 eine band within the band, die in Quintett- bzw. Quartett- Besetzung ausschließlich mit Jazz an die Öffentlichkeit tritt. Über seine Musik sagt Ernst-Ludwig Petrowsky selbst,
sie bewege sich innerhalb des modernen bop, allerdings in dem, der um Dolphy, Coleman, Shepp, Henderson weiß und gelegentlich auch einmal einen Ausflug in Bereiche des Free Jazz riskiert, jedoch nicht, ohne in die Mitte zurückzufinden.
Das Manfred-Ludwig-Sextett gehört zu den wenigen Bands, denen in der DDR die Möglichkeit gegeben wurde, eine Jazz-Platte aufzunehmen. Die Platte Jazz mit Dorothy Ellison & dem Manfred-Ludwig-Sextett dürfte zu den wenigen gehören, die nicht im Playback-Verfahren, sondern im direkten Zusammenmusizieren von Sängerin und Band entstand und daher von besonderer Authentizität ist.
Was im Programmheft von Jazz in der Kammer schon anklingt, bestätigt sich:
Ernst-Ludwig Petrowsky wendet sich mehr und mehr dem Free Jazz zu, verläßt 1970 das Manfred-Ludwig-Sextett und beginnt seine erfolgreiche Solo-Karriere. Für das Manfred-Ludwig-Sextett bedeutet der Ausstieg eine Zäsur. Das Fehlen des Spiritus Rector ist quasi das Ende des Jazz für die Band.
Sie spielt allerdings weiterhin auf höchstem Niveau und zählt bis 1990, dem Zeitpunkt ihrer Auflösung zu den Spitzen-Programm- und Show-Bands der DDR, unterwegs im In- und Ausland.
Das Manfred-Ludwig-Sextett auf Wikipedia → hier
Warum werden die Wiederauferstehung als Jazz-Formation unter Leitung von ‘Luten’ Petrowsky anno 2004, immerhin filmisch dokumentiert im Donnersmarck-Streifen “Das Leben der Anderen”, und nachfolgende CD-Veröffentlichungen hier nicht erwähnt?
Die “Wiederauferstehung” war eine temporäre und ausschließlich für den besagten Film organisiert. Die Gruppe wurde offiziell 1990 aufgelöst (siehe auch Wikipedia).