AWA-Liste mit Folgen
Von Klaus Herkner
Folgendes trug sich 1959 zu:
Die Schulband der Erweiterten Oberschule Reichenbach O/L – die Gruppe bestand von 1958 bis 1961 – war keine offizielle Institution der Schule. Hier fanden sich einfach interessierte Schüler zusammen, die an Rock- und Tanzmusik interessiert waren.
Die Band (damals noch als Kapelle bezeichnet) spielte eine privat initiierte öffentliche Veranstaltung im Nachbarort. Da sie keinen Namen hatte, den sie für ihre sonst ausschließlich schulinternen Auftritte auch nicht brauchte, nutzte sie mangels besserer Ideen die Abkürzung „OSR-Quartett“ (für Oberschule Reichenbach). Das brachte ihr den Vorwurf ein, das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit politisch beschmutzt zu haben. Denn für die Veranstaltung musste eine so genannte AWA-Liste ausgefüllt werden (analog GEMA-Liste heute), auf der alle gespielten Titel aufzuführen waren. Nun war zwar bekannt, dass mindestens 60% der Titel von DDR-Komponisten zu stammen hatten, aber keiner hatte eine Ahnung davon, dass die restlichen 40% in der DDR verlegt sein mussten. So kam es, dass viele der eingetragenen Titel nicht nur nicht in der DDR verlegt waren, sondern einige davon sogar als VE (Verbotene Einfuhr) eingestuft waren. Dieses Vergehen teilte die AWA (Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik) umgehend der Abteilung Kultur beim Rat des Kreises mit, die ihrerseits die Schulleitung informierte. Diese berief umgehend eine Schülervollversammlung ein, in welcher über das unentschuldbare Vergehen der vier Protagonisten zu befinden war. Alle vier erhielten die Androhung der Verweisung von der Schule, was das Abitur und ein nachfolgendes Studium ausgeschlossen hätte. Da sich die Delinquenten in der Folgezeit aber keine weiteren Verfehlungen zuschulden kommen ließen, durften sie am Ende doch noch ihren Abschluss machen.
Es war nicht alles schlecht. 😉